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Rückblick auf neun Jahre am Höllbachhof

Im Februar vor neun Jahren haben wir den Höllbachhof übernommen. Die Gemeinschaft, die den Hof vor uns bewohnt und mit Leben gefüllt hat, hatte sich aufgelöst. Ich kann mich noch so gut erinnern….

Es war tiefster Winter als wir hier angekommen sind. Alles war in Schnee gehüllt, er glitzerte in der Sonne und die Landschaft, der Hof und das gesamte Höllbachtal war ein Wintermärchen. Was für ein Einstand.

Linde vor dem Seminarhaus - Wintermärchen

Linde vor dem Seminarhaus im Sonnenschein

Da war große Freude, tausend Ideen und viel Tatendrang, aber auch ein banges Gefühl und die Frage, ob wir uns hier gut einleben werden, ob wir uns und unser Potential richtig einschätzen oder ob wir uns übernehmen würden. Ob es uns als Paar hier gut gehen wird und wie die „Ureinwohner“ im Dorf uns begegnen werden.

Einige aus der Gemeinschaft hatten uns zum Abschied gewarnt – dieser Ort hätte es in sich, er würde uns mit unseren Schatten konfrontieren und wäre ein schwieriger Boden für Partnerschaften. Angefühlt hat es sich für uns ganz anders.

Und dann haben wir einfach angefangen.
Wir haben uns unser Nest behaglich gemacht – die dunkle Holzvertäfelung aus der Stube ab- und große Fenster eingebaut. Wenn wir jetzt am Esstisch sitzen, fällt unser Blick auf den Hof – wir sehen die Vögel, unsere Hühner und Gänse, unser Pfauenmädchen.

Aus dem„Office“ wurde unser Schlafzimmer, ein stiller Raum in dem wir ruhig und wohl geborgen sind. Ebenerdig, so dass wir auch nachts in geerdeter Verbindung mit dem Hof und all seinen tierischen Bewohnern bleiben.

Die Zimmer im Südteil des ersten Stocks haben wir ausgebaut zu schlichten, behaglichen Gästezimmern.

Das Seminarhaus haben wir für die Nutzung als solches zunächst einmal baurechtlich genehmigen lassen. Wir haben eine Küche eingebaut und einen gemütlichen Essbereich geschaffen, damit das Seminarhaus unabhängig von unserem privaten Wohnbereich genutzt werden kann. Wir haben ein stabiles neues Treppengeländer, Tische für den Essbereich, schöne Vollholzbetten für die Matrazenschlafplätze gebaut und ein Sideboard für’s Geschirr gekauft.

Wir haben die Energieversorgung am Hof komplett umgekrempelt:
Die alte Ölheizung haben wir durch eine leistungsstarke Scheitholzheizung ersetzt, die super sauber verbrennt und sehr effizient arbeitet. Wir haben eine Wärmeleitung über den Hof gelegt, so dass auch das Duschhaus und das rote Häuschen an die Scheitholzheizung angeschlossen sind, weil das effektiver ist als viele kleine Einzelöfen. Wir haben eine Photovoltaikanlage auf’s Dach gebaut und einen Batteriespeicher im Haus angeschlossen, so dass wir knapp 80 Prozent
unseres Strombedarfs damit abdecken.

Haupthaus mit großen Fenstern und Solaranlage

Wir haben eine große Regenwasserzisterne mit 18.000 Litern Volumen in die Erde versenkt und den ehemaligen Klärteich ausgebaggert und abgedichtet, so dass ein großzügiger Amphibienteich entstanden ist.

Wir haben die Scheune erweitert, damit wir unsere landwirtschaftlichen Geräte gut verstauen können und genug Lagerraum für Heu, Stroh und Getreide vorhanden ist.

Scheunenanbau

Wir haben eine große Streuobstwiese und viele hundert Meter Wildhecken angelegt, rund 80 Rosenbüsche, eine Vielzahl an Kräutern, Blumen und Stauden, Beerensträucher, Wein und Nußbäume gepflanzt.

frisch gepflanzte Hecke

Auf einer Fläche mit schlechtem Schotterboden (vermutlich der Aushub vom Seminarhaus) haben wir intensiv Humusaufbau betrieben und einen kleinen Waldgarten angelegt.

Auf dem Acker haben wir mit 120 Erlenbäumchen eine Baumfeldwirtschaft (Agroforstsystem) begründet und unsere Wiesen mähen wir spät und sehr behutsam, so dass sich Kräuter und Wildblumen aussäen und Insekten jederzeit Schutz und Nahrung finden können.

Unser Garten und der Acker versorgt uns über’s gesamte Jahr mit Obst und Gemüse, Kartoffeln und Getreide, die Tiere schenken uns Eier, Milch und Fleisch und auch das Futter für unsere Tiere wächst hier: Kräuter und Gräser für duftendes Heu; Weizen, Gerste, Hafer und saftige Futterrüben.

Streuobstwiese mit Rosen

Am Waldrand hinter dem Hof wohnen zwei Bienenvölker. Betreut werden sie von lieben Freunden – erfahrene Imker aus Schillertswiesen, die von uns im Tausch dafür mit Milch und Käse versorgt werden.

Unsere großen Projekte sind verwirklicht. Alles wächst, blüht und gedeiht und die lebendige Vielfalt an Pflanzen und Wildtieren nimmt zu. Es ist gut und erfüllend, den Hof und alles Leben hier zu hegen und zu pflegen. Und jetzt sind wir gespannt ob etwas Neues entsteht, wenn sich das materielle Schaffen und Erschaffen soweit erfüllt hat!

Die „Ureinwohner“ aus Postfelden begegneten uns von Anfang an offen, freundlich und wohlwollend und wir haben echte Freunde gefunden.

Die Gäste, die für Seminare zu uns kommen, bereichern und inspirieren uns. Immer wieder entwickeln sich wert-volle Gespräche und schöne Begegnungen. Es ist eine Freude, die Schönheit, die Kraft und den Frieden dieses Ortes mit anderen zu teilen!

In all den Jahren ist die Liebe zwischen Stefan und mir weiter gewachsen und hat sich vertieft. Sie nährt die Liebe zum diesem Ort und die Liebe zu diesem Ort nährt wiederum die Liebe zwischen uns. Vor zwei Jahren haben wir geheiratet.
Wir erleben diesen Ort als guten Boden für unsere Partnerschaft.

Das Gartenjahr liegt hinter uns, der Erdkeller, das Apfellager und die Gefrierschränke sind prall gefüllt. Wir hatten das große Glück, dass es hier (anders als in vielen Regionen) bis Anfang Juni ausreichend Regen gab, so dass unsere Obst- und Gemüsepflanzen gut wachsen und gedeihen konnten und üppig Frucht ansetzten.

Vor allem Beerenobst, Äpfel, Trauben und Zwetschgen gab es in nie erlebter Fülle! Bis Ende November (!!!) konnten wir noch täglich frische Himbeeren ernten 🙂

üppiger Wildwuchs im Gemüsegarten

Zwiebeln, Futter-rüben, Kartoffeln, Karotten und Kidney-Bohnen säen und pflanzen wir auf dem Acker, im Garten wachsen Salate, ver-schiedene Kohl-gemüse, Kürbis, Stangenbohnen, Lauch, Sellerie, Erdbeeren, Rote Beete, Mangold, Gurken und Fenchel. Die Tomaten be-wohnen das große Gewächshaus, Paprika, Andenbeere und Feigen stehen in Töpfen an der sonnigen Hauswand.

Überall verteilt wachsen Blumen und Kräuter, sorgen für die Gesundheit der Gemüsepflanzen und für ein großzügiges Nahrungsangebot an alle Insekten. Alles zusammen ergibt einen kraftvollen, leuchtenden und wunderschönen “Wildwuchs”, der mich einfach glücklich macht 🙂

Die Futterrüben, die Stefan Jahr für Jahr als Winterfutter für unsere Tiere sät, brauchen viel Pflege. Sie werden erst gesät, dann vereinzelt und regelmäßig gehackt, damit sie optimale Bedingungen haben. In diesem Jahr sind sie besonders gut gelungen – genau richtig, denn unsere Ziegenherde ist deutlich größer geworden! Im Mai haben unsere zweijährigen Ziegen zum ersten mal Lämmer geboren – drei Ziegenmütter mit insgesamt fünf Lämmern. Auch zwei unserer älteren Ziegen wurden noch einmal Mama: Loni hat Drillinge und Prinzessin Zwillinge. Insgesamt hüpften also zehn Lämmer über die Wiese, spielten, kletterten und verzauberten Wanderer und Seminargäste gleichermaßen.

Ganz klar, dass die Lämmer bei ihren Müttern aufwachsen, soviel Milch trinken dürfen wie sie nur können und sich so zu kräftigen, gesunden und schlauen Tieren entwickeln!

Im Herbst waren sie dann mit unserem Ziegenbock Henry und der Leitziege Alfi ohne ihre Mütter auf der Weide in Zumhof, wo sie sich zu einer selbstbewußten “Gang” entwickelt haben.

Mit dem ersten Schnee kommen sie zurück zum Hof, so dass wir jetzt eine Herde von insgesamt 17 Ziegen, drei Schafen und einer Eselin zu versorgen haben. Sie fressen das duftende Kräuterheu des Sommers und Stefan serviert ihnen jeden Abend eine großzügige Portion geschnippelte Futterrüben – frisch und knackig, leicht süss und super gesund. Sie lieben es! Und wenn sie dann in Reihe am Futtertrog stehen und zufrieden die knackigen Rüben fressen, ist das für Stefan der angemessene Lohn für viele Stunden Rübenhacken…

Junghühner erkunden den Garten

Wir blicken zurück auf ein fruchtbares, üppiges, gesundes Jahr am Höllbachhof. Unseren Tieren geht’s prächtig – allerlei Küken und Lämmer wurden geboren und sind über den Sommer bei uns groß geworden. Zwei unserer Ziegen melken wir nun bereits im zweiten, eine sogar im dritten Jahr durch, d. h. sie geben kontinuierlich Milch ohne in jedem Jahr wieder Lämmer zu gebären. Auf diese Weise schonen wir die Mütter und unsere “Herde” bleibt in einem angemessenen Rahmen ohne dass wir Jungtiere weggeben oder schlachten müssen.

Gänsefamilie mit fünf Junggänsen

Den Garten bewirtschaften wir jetzt im dritten Jahr und es ist wunderbar zu erleben, wie ein feines Zusammenspiel entsteht, wie wir vertraut werden miteinander. Wir verzichten auf tiefgreifende Bodenbearbeitung, mulchen unsere Beete mit Heu und schaffen so die Voraussetzung, dass sich der Humusgehalt im Boden beständig aufbaut. In diesem Jahr haben wir Bodenproben genommen und im Labor auswerten lassen: der Humusgehalt in unserem Gemüsegarten liegt um die 10 % (das ist mehr als Überdurchschnittlich!), der Humusgehalt der Wiesen liegt zwischen 4 und 6 Prozent (auch das ist ein stattlicher Wert!). Diesen fruchtbaren, gesunden Boden verdanken wir auch unseren Vorgängern. Wir sind sehr dankbar dafür, dass dieses Land schon seit vielen Jahren so sorgfältig und behutsam gepflegt und biologisch bewirtschaftet wird.

In unseren Beeten wuchsen Kartoffeln, Kürbis, Zucchinis, Mangold, Spinat, Rote Bete und Erbsen, vielerlei Bohnen und allerlei Kohl, Karotten, Salate, Tomaten, Gurken, Kräuter und Beeren. Auch Wildkräuter fanden regelmäßig den Weg auf unsere Teller – Löwenzahn, Schildampfer, Blutampfer, Beinwell und Giersch, Brennessel, Spitzwegerich, Gänseblümchen und Schlangenknöterich.

Gemüsebeet in Mischkultur mit Bohnen, Kohl, Ringelblumen und Mangold

Wir verwenden ausschließlich samenfeste Sorten, d. h. Samen von Pflanzen, die sich gesund weiter vermehren können. Das Ernten von Saatgut ist aber noch mal ein großes Kapitel für sich. Es gibt tolle Bücher dazu und wir gehen Schritt für Schritt dazu über, unser eigenes Saatgut zu kultivieren. Der “Lernstoff” geht uns also sicher niemals aus 😉

Im Herbst habe ich (Elisabeth) zwei Seminargruppen hier am Hof bekocht. Rund 90 % der Lebensmittel dafür stammten aus unserem Garten und aus unserer Käseküche. Es hat mir große Freude gemacht, unsere Gäste mit den eigenen Leckereien zu verwöhnen. Für uns ist das ein wichtiger “Puzzlestein” in unserem Gesamtkonzept: wir möchten unseren Gästen gerne vermitteln, wie eine gesunde, lebensfördernde Kreislaufwirtschaft aussieht und wie sie schmeckt. Denn Essen ist schließlich eine intime Angelegenheit 😉