Der Duft von frischem Brot zieht durchs Haus. Es ist ein warmer, würziger, erdiger Duft.
Ein behaglicher Geruch, der für mich verbunden ist mit Geborgenheit und Trost, mit „Nestwärme“ und dem Zusammensein mit lieben Menschen.
Seit rund 15 Jahren backe ich unser Brot überwiegend selbst. Damals war ich auf der Suche nach einem einfachen, schnellen und unkomplizierten Rezept, nach einem alltagstauglichen Brot das allen schmeckt und das zuverlässig gelingt. Eine Freundin schenkte mir ein Backbuch mit dem Titel „Backen für Faule“ und dort wurde ich fündig. Unser „Hausbrot“ wurde ein Kastenbrot aus Hefeteig, mit Vollkornmehl und Kernen und wir essen es bis heute gerne.
Immer mal wieder reizte es mich dann auch, ein Sauerteigbrot zu backen. Aber die Anleitungen für ein „reines“ Natursauerteigbrot lasen sich so aufwendig und kompliziert, dass ich mich nicht ran traute. Der Kompromiss war ein Brot mit Sauerteigkulturen und Hefe. Aufwändiger als das Hausbrot, näher dran am „echten Bauernbrot“, einigermaßen schnell und leicht gemacht. Eine willkommene Abwechslung zwischendurch – aber noch nicht meine Lieblingssorte 😉
In den ersten Wochen dieses Jahres nun hat es „gezündet“ – ich hatte solche LUST zu Backen, zu Experimentieren und vor allem auch die nötige Zeit (es ist Winter!). In der Montessori-Pädagogik bezeichnet man diesen Lern-Impuls als „sensiblen Moment“: wenn ein Kind seine ganze Aufmerksamkeit auf etwas richtet, das es lernen möchte. Es versucht und übt dann so lange, bis es den Vorgang verstanden und verinnerlicht hat, bis es eine neue Fertigkeit (wie z. B. Schuhbänder binden, Fahrrad fahren, schwimmen oder ähnliches) beherrscht. Im Januar hatte ich also meinen „sensiblen Moment“ für’s Brotbacken mit Natursauerteig. Ich habe mich tief in meine zahlreichen Brotback-Bücher versenkt bis ich das Prinzip „Reines Natursauerteigbrot“ wirklich verstanden habe. Ich habe zahlreiche Rezepte ausprobiert, verändert, verworfen und verfeinert, bis ein Brot entstanden ist, das mir so richtig gut schmeckt!
So gut, dass ich es sogar einem „Pfisterbrot“, einem „Brandl-Brot“ und einem „Fritz-Brot“ vorziehe.
Im Februar habe ich diese Brote dann für eine Seminargruppe gebacken. Als mich die Gäste fragten, ob sie denn ein solches Brot bei mir auch bestellen könnten für zuhause, war das eine willkommene Bestätigung 🙂
Reines Natursauerteigbrot – macht das einen Unterschied?
Bei frisch gebackenen Broten ist der Unterschied kaum ersichtlich. Eine „resche“ Kruste, ein fluffiger Teig mit gutem Geschmack – das können viele Brote und dafür gibt es unzählige Hilfmittel.
Für unseren Magen ist der Unterschied jedoch gravierend – etwa so wie der Unterschied zwischen Milch und Joghurt. Denn ein Sauerteig ist eine vitale Lebensgemeinschaft aus Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien und Sauerteighefen.
Wenn man die richtigen Bedingungen schafft und den Teig geduldig „führt“, zerlegen die Sauerteigkulturen die Stärke des Getreides zunächst in Zucker und dann in Milchsäure. Sie übernehmen also den ersten Teil der „Verdauung“ für uns und reichern gleichzeitig den Teig mit wertvollen Mikroben an, die unsere Darmflora dauerhaft stärken.
Ich spüre diesen Unterschied deutlich. Es geht mir mit unserem „Hausbrot“ schon viel besser als mit den meisten Bäckerbroten. Aber auf ein reines Natursauerteigbrot antwortet mein Körper schon beim ersten Bissen. Ich kann es nicht genau erklären – es ist wie eine Bestätigung auf Zell-Ebene, gefolgt von einem gesunden Appetit auf „mehr davon“.
Bei vielen Broten (und Semmeln, Brezen etc.) habe ich nach der Mahlzeit ein unangenehmes Völlegefühl und die Verdauung ist anstrengend. Ein Natursauerteigbrot belastet mich dagegen überhaupt nicht und sättigt mich auf gute Weise.
Es gib Studien die zu dem Schluss kommen, dass die inzwischen weit verbreitete Gluten-Unverträglichkeit dadurch begünstigt wird, dass wir nur noch selten echte Sauerteigbrote mit langer Teigführung zu uns nehmen – unser Darm also überfordert ist damit, das Getreide in Eigenregie ordentlich aufzuschließen und zu verdauen.
Aus Wasser, Korn und Salz ein wohlschmeckendes Brot zu bereiten erlebe ich als einen alchemistischen Prozess. Wasser, Korn und Salz gehören zu den ursprünglichsten Lebensmitteln überhaupt. Das Korn ist im Grunde nichts anderes als ein Grassamen – egal ob Weizen, Dinkel oder Roggen. Die Herkunft unseres Getreides liegt bei den wilden Gräsern, deren geballte Kraft am Ende im Samenkorn steckt. Diese Gräser haben wir Menschen über Jahrtausende kultiviert bis sie perfekt auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten waren. Mensch und Getreide haben eine lange gemeinsame Geschichte.
In der modernen Ernährung ist das Getreide manchmal der „Buhmann“ und Kohlenhydrate werden ganz allgemein als „Dickmacher“ verteufelt.
Ähnlich wie bei tierischen Lebensmitteln liegt das Übel aus meiner Sicht aber in der Art und Weise, wie wir diese Lebensmittel erzeugen. Konventionelles Getreide wird schon vor der Aussaat chemisch gebeizt, auf dem Acker gleich mehrmals mit Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden behandelt, wird „kurz gespritzt“ – also mit Chemie am Langwachsen gehindert und selbst das reife Korn wird dann noch einmal chemisch behandelt, damit es gleichmäßig abreift und dadurch gut lagerfähig ist.
Wie soll das am Ende noch ein gesundes Lebensmittel sein? Wenn dann beim Backvorgang noch mal über 200 meist künstliche Zusatzstoffe verwendet werden dürfen, ist das fertige Brot wirklich meilenweit von einem „ehrlichen“ Lebensmittel entfernt.
Wäre es nicht schön, wenn wir uns dieses ursprüngliche Lebens-Mittel BROT wieder als kostbaren Teil des täglichen Lebens zurück holen würden? Wäre es nicht lohnend, wenn wir wieder wissen, wie ein gutes Brot gemacht wird und es vielleicht sogar wieder SELBST machen könnten?
Ich möchte Dich dazu ermutigen.
Mit ein wenig Routine geht das Brotbacken so leicht und schnell, dass es auch mit einem vollen Alltag vereinbar ist. Deshalb beschreibe ich hier zwei Brotrezepte, die einfach in der Zubereitung sind und gut im Geschmack. Und spätestens wenn es in Deinem Zuhause nach frisch gebackenem Brot duftet, wird es sich gelohnt haben! (Ich empfehle ausschließlich BIO-Zutaten zu verwenden – DIR zuliebe und der Mitwelt zuliebe!)
Einfaches, schnelles „Hausbrot“ (mit etwas Hefe, ohne Sauerteig)
500 g Mehl (Weizen- oder Dinkelmehl, weiß oder Vollkorn – je nach Vorliebe)
1,5 TL Salz
120 g Kerne und Saaten
(Kürbis- und Sonnenblumenkerne, geschroteter Leinsamen, Sesam)
500 ml handwarmes Wasser
ein erbsengroßes Stück frische Hefe, alternativ: 1 TL Trockenhefe.
Hefe und Salz im warmen Wasser auflösen, alle Zutaten in eine Schüssel geben und mit einem Kochlöffel zu Teig verrühren (dieser Teig hat eine breiige Konsistenz!). Mit einem Tuch abdecken und bei Zimmertemperatur über Nacht (also ca. 10 bis 12 Stunden) gehen lassen. Danach den Teig (der immer noch eine breiige Konsistenz hat!) in eine gut gefettete Kastenform füllen und bei 200 Grad Umluft 1 Stunde backen. Fertig 🙂
Einfaches Brot mit Sauerteig-Kulturen:
Die Sauerteigkultur wird über vier Tage „gezogen“.
Das geht einfach, braucht aber ein bisschen Planung!
100 g Weizenmehl (Typ 550 oder 1050) mit 100 g handwarmen Wasser verrühren, mit einem Tuch abdecken und bei Zimmertemperatur ca. 24 Stunden gehen lassen.
Zu diesem Ansatz erneut 100 g Weizenmehl (Typ 550 oder 1050) und 100 g handwarmes Wasser zugeben, verrühren, mit einem Tuch abdecken und bei Zimmertemperatur ca. 24 Stunden gehen lassen.
—> Diesen Vorgang insgesamt vier mal durchführen (1 x täglich über vier Tage hinweg).
Nun können wir den Brotteig herstellen:
500 g Weizenmehl (Vollkorn oder weiß)
9 g Salz
360 g lauwarmes Wasser
150 g unserer Sauerteigkultur
—> zu einem Teig vermischen und 10 Minuten gründlich kneten.
(Bei Weizen- oder Dinkelbroten ist der Knetvorgang SEHR wichtig, denn dadurch aktivieren wir den Kleber des Korns, so dass das Brot eine gute Konsistenz bekommt).
Den Teig in die Schüssel zurück legen, mit einem Tuch abdecken und 1 Stunde bei Zimmertemperatur gehen lassen. Nach einer Stunde den Teig behutsam in die Länge ziehen und zur Mitte hin falten. Das Ziehen und Falten in vier Richtungen wiederholen. —> diesen Vorgang wiederholen wir dann vier bis fünf mal (also jeweils eine Stunde gehen lassen, ziehen und falten, dann wieder gehen lassen usw.).
Den Teig anschließend in ein gut bemehltes Gärkörbchen legen und über Nacht in den Kühlschrank stellen.
Am nächsten Morgen eine Bratreine in den Ofen stellen und ihn auf 250 Grad Ober- und Unterhitze aufheizen. Die Bratreine aus dem Ofen nehmen, den Brotteig aus dem Gärkörbchen in die Reine geben, zwei Eiswürfel dazu und sofort den Deckel wieder aufsetzten. Die Reine in den Ofen stellen und 20 Minuten bei 250 Grad backen. Danach den Deckel abnehmen und noch einmal 20 bis 25 Minuten backen.
So entsteht ein fluffiges Ciabatta mit rescher Kruste, das auch am zweiten und dritten und vierten Tag noch saftig ist und lecker schmeckt!
Für dieses Rezept kannst Du gut auch Dinkelmehl verwenden (dann schon beim Ansetzen des Sauerteigs Dinkelmehl nehmen).