Von unseren Gästen, Besuchern und Newsletter-Lesern werden wir immer wieder gefragt, ob wir denn unsere Tiere auch töten und essen würden.
Aus unserer Sicht ist das ein fundamental  wichtiges Thema – es vergeht kaum ein Tag, an dem Stefan und ich nicht mit der ganz grundlegenden Frage von Leben und Tod konfrontiert sind, in allem was wir tun. Deshalb möchte ich dieser Frage heute einen Blog-Beitrag widmen in der Hoffnung, Denkanstöße zu geben, Verständnis zu wecken, Bewußtsein zu schaffen.
Wir bitten Dich, liebe/r Leser/in, möglichst offen und unvoreingenommen unsere Zeilen zu lesen – unsere Sicht der Dinge ist nie abgeschlossen und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Wir möchten weder überzeugen noch belehren, sondern einfach erzählen und beschreiben, wie diese Frage unser tägliches Leben durchzieht und wie wir damit einen guten Weg suchen.
Ich (Elisabeth) stamme aus einer Metzgerei, ich weiß also nur zu gut wie Schlachthaus aussieht, riecht und wie entsetzlich es sich angefühlt.
Schon alleine deshalb war ich viele Jahre strikte Vegetarierin.
Irgendwann hab’ ich dann verstanden, dass Vegetarier sein auch nur eine Scheinlösung ist, denn auch für Milch und Eier sterben Tiere. Also habe ich (eine kurze) Zeit lang auch vegan versucht.
Aber auch die Art und Weise, wie wir Gemüse und Obst „produzieren“ finde ich unerträglich und so kam ich Schritt für Schritt zur Selbstversorgung.
Meinen Permakulturkurs habe ich als Veganerin gemacht, war in der Gruppe nicht die einzige, aber es gab eben auch dort einen Metzger, der ganz anderer Ansicht war.
So gab es viel Diskussion rund um das Thema schlachten oder nicht schlachten.
Unser Permakultur-Lehrer hat sich komplett raus gehalten, hat uns dann aber eines Abends (ohne Vorankündigung) einen Film über Ringelblumen gezeigt.
Man sah das Wurzelwerk der Ringelblume tief in der Erde verankert, man sah ein kleines Würmchen (eine Nematode) sich vorbei winden
und erlebte, wie ein Wurzelstrang der Ringelblume sich blitzschnell um das Würmchen legte, es zersetzte und sich einverleibte.
Kommentar vom Metzger: „Jetzt wird’s aber eng für die Vegetarier“!
Als ich dann mehr und mehr zur selbstversorgenden Gärtnerin wurde (noch vor meiner Zeit am Höllbachhof), erkannte ich, dass es sich um ein unlösbares Dilemma handelt:
Denn auch als Gemüsegärtnerin kommt man am Töten nicht vorbei.
Gegen die Massen von Nacktschnecken habe ich mir Laufenten zugelegt (die dann an meiner Stelle die Schnecken getötet haben),
die abgesammelten Kartoffelkäfer habe ich getötet damit sie nicht auf die Pflanzen zurück kehren, gegen die Kohlweißlingsraupen hab’ ich mir von den Wildvögeln helfen lassen.
Hier auf dem Hof ist das Thema noch komplexer:
Wir hatten ein sehr starkes und ein sehr schwaches Bienenvolk (wir entnehmen keinen Honig, bieten den Bienen nur Lebensraum an).
Das starke Volk schwärmte, hing für einen Tag als Traube im Birnbaum und ist dann (obwohl drei leere Bienenbehausungen in unmittelbarer Nähe bereit standen!)
in die Behausung des schwachen Volkes eingezogen, sie haben die Königin abgestochen und das Volk übernommen (Kommentar des dazu befragten Demeter-Imkers: ja, Bienen sind knallharte Ökonomen).
Der Habicht holt sich im Lauf des Jahres mindestens 10 Tiere – Laufenten, Hühner – was er am leichtesten erlegen kann. Er tötet sie nicht, er frisst nur so viel er mag (am liebsten von der Brust) und lässt das schwer verwundete Tier dann einfach zurück. Manchmal können wir es retten (Wundversorgung, Einzelstall, Extrafutter), manchmal stirbt es nach ein paar Tagen, manchmal ist es so heftig verletzt, dass wir es gleich töten.
Im vergangenen Frühling hat der Fuchs bei uns fette Beute gemacht: er hat sechs Hühner getötet und zwei weitere so schwer verletzt, dass sie in den darauffolgenden Tagen gestorben sind.
Ich habe eine sehr innige Beziehung zu unseren Pflanzen – zu den Bäumen, den Heilpflanzen, Wildpflanzen, Gemüsepflanzen und Blumen.
Ich spüre ihre Lebenskraft, begleite ihr Wachsen und Werden, hege und pflege sie.
Aber die meisten töte ich wenn ich sie ernte – z. B. die Salate, den Mangold, Karotten, Rote Beete….Sie alle wollen sich entfalten, erblühen, Samen ausbilden und sich vermehren. Ich töte sie alle vor ihrer Zeit um sie zu essen.
Inzwischen sind Pflanzen so gut erforscht, dass man weiß, dass sie Schmerz und Angst empfinden, dass sie sich gegenseitig vor „Freßfeinden“ warnen, dass große Buchenmütter die kleinen Bäumchen „stillen“, also über die Wurzeln mit Nahrung versorgen und dass im Gegenzug alte Baumstümpfe von ihren Kindern so am Leben gehalten werden.
Was ich damit sagen will ist: keine/r von uns kommt ums Töten herum. Nie. Wir können es nur auf „Produzenten“ verschieben und das Gemüse/Getreide/Obst dann „neutral“ irgendwo kaufen.
Aber dann tötet immer jemand anderes für uns.
Wir leben hier mit Tieren, weil wir Tiere lieben und weil wir uns beide ein Leben ohne Tiere nicht vorstellen mögen.
Unsere Katzen fressen Mäuse (was uns wiederum sehr hilft, denn wir hatten schon so viele Mäuse hier, dass sie die Seminargäste in ihren Betten besucht haben und mit auf dem Essensbuffet sassen).
Wir hatten in der Stallwand Ratten (die kamen über das Kanalrohr vom Klärteich her). Diese Ratten haben in einer Nacht drei kleine flauschige Gänseküken gekillt und in ihr Lager verschleppt – die Gänse-Eltern haben sich offensichtlich gewehrt, denn eine Ratte lag tot im Gänsestall. Retten konnten sie ihre Küken leider nicht. Und so haben wir die Stallwand geöffnet und unsere Hündin Maya hat die Ratten allesamt tot gebissen.
Wir haben Hühner alter Rassen – kluge, gesunde und selbstbewußte Tiere, die noch einen starken und ursprünglichen Bruttrieb haben.
Diese Hühner legen sich Nester an und beginnen irgendwann zu brüten. Sie bleiben auch dann sitzen, wenn wir ihnen alle Eier nehmen.
Sie bleiben sitzen, auch wenn die Eier nicht befruchtet sind und unter ihnen faul werden.
Im Extremfall verhungern sie auf dem leeren Nest, so stark ist der natürliche Trieb zu brüten.
Wenn wir sie brüten lassen, schlüpfen ungefähr sechs bis zehn Küken. Etwa die Hälfte davon sind Hähne.
Die Schar der „Teenager“ ist wunderbar anzusehen – sie laufen frei im Wald, suchen ihr Futter unterm Laub, schlafen nachts in den Bäumen.
Das geht so lange gut, bis die Hähne geschlechtsreif werden und von einem Tag auf den anderen kämpfen sie miteinander auf Leben und Tod.
Wenn wir unsere Hühner also brüten lassen, dann bedeutet das in der Konsequenz, dass wir etwa acht Monate später eine Schar Hähne schlachten müssen, wenn wir nicht zulassen wollen, dass sie sich gegenseitig töten.
Ich habe eine sehr gute „Methode“ gelernt – ich wiege sie in den Schlaf.
Sie haben den Kopf unterm Flügel, sind in meinem Arm, ich schaukle sie in den Schlaf bzw. in eine tiefe Trance und nehme ihnen dann mit einem Schnitt  das Leben.
Ich danke Ihnen, ehre sie und wir wertschätzen die Nahrung, die sie uns dann sind.
Unsere Ziegen melken wir durch, d. h. sie werden nicht jedes Jahr wieder schwanger.
Die Milch wird im Winter weniger, im Frühling wieder mehr. Das geht vier bis fünf Jahre so, bevor die Milch dann ganz versiegt.
Aber um ein erstes Mal Milch zu haben, werden sie gedeckt und bringen Lämmer zur Welt.
Ziegen sind fürsorgliche, liebevoll Mütter, mutig und stark.
Selbstverständlich bleiben die Lämmer bei ihren Müttern – so lange, bis sie sich zur „halbstarken Gang“ zusammen rotten und ihre Mütter nicht mehr brauchen.
(Die Mütter sind dann auch erleichtert, wenn die Rasselbande alleine loszieht).
Die weiblichen Jungziegen behalten wir. Aber wenn Böcke dabei sind, schlachten wir sie.
Einmal um sicherzustellen, dass die Ziegen nicht gleich wieder schwanger werden,
zum anderen weil es auch hier ist wie bei den Hähnen:
sobald mehr als ein Bock in der Herde geschlechtsreif ist, wird gekämpft.
Immer und immer wieder, bis ein Tier so schwer verletzt ist, dass es keinen Widerstand mehr leistet.
Wir führen unsere Böcke nicht ins Schlachthaus.
Sie bleiben hier zuhause, in sicherer Umgebung, sind in unserer Obhut, werden gekrault und verabschiedet, werden zuerst betäubt und dann getötet.
Das ist eine Frage von Sekunden.
In vielen Aspekten sind uns Naturvölker wegweisend – Menschen, die im Einklang mit der Natur leben und ohne „Schädling“ am Ökosystem zu sein.
Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist die Jagd auf Tiere auch für sie ein wesentlicher Aspekt ihrer Ernährung.
Aber das Töten geschieht mit großem Respekt, in tiefer Dankbarkeit und mit absoluter Wertschätzung dessen, was ihnen dann Nahrung ist.
Ich denke, die wesentliche Frage ist also nicht, ob wir töten oder nicht – sondern wie das LEBEN der Tiere und Pflanzen aussieht und mit welcher inneren Haltung ich Leben nehme und Nahrung zu mir nehme.
Und so üben wir uns in Mitgefühl, Dankbarkeit und Wertschätzung, Tag für Tag.