Erdfeste brauchen keine »Veranstaltungen« zu sein. Genauso gut sind kleine, informelle Aktivitäten, die davon handeln, auf als authentisch empfunde Weise mit Mitwesen – einschließlich der Erde selbst – zu kommunizieren.

Liebe Initiativträger*innen, liebe Partner!

Dieses Schreiben richtet sich an Sie/Euch, um mit Ihnen/Euch unseren Versuch zu teilen, den Sinn des weltweiten Ausbruchs der Lungenkrankheit Covid-19 zu begreifen; zu verstehen, was das mit der Erde zu tun hat und dadurch auch mit der ERDFEST-Initiative. Wie können wir Erdfeste vorbereiten und dann feiern, während wir uns bis auf Weiteres ganz zurücknehmen, niemanden treffen, keine Geselligkeit erlauben, gar vielfach selbst nicht zur Erde hinaus- dürfen? Wie können wir verarbeiten, dass im Ausbruchsgeschehen von SARS-CoV-2 etwas berührt wird, was im Zentrum von ERDFEST steht? Wie können wir darauf antworten?

Die Corona-Pandemie stellt für uns Menschen eine medizinische Katastrophe dar. Doch
ist diese medizinische Katastrophe vor allem, und das gilt es klar zu sehen, ein ökologisches Desaster. Die Corona-Pandemie ist die erste große ökologische Katastrophe, von der die ganze Menschheit heimgesucht wird. Ihre Konsequenzen sind unbekannt, die Auswirkungen nicht absehbar.

Das neue Corona-Virus vermehrte sich bisher – wie hunderte oder tausende anderer noch unbekannter Viren – in wildlebenden Tieren, die daran nicht erkrankten. Auf den Menschen ist es höchstwahrscheinlich auf einem Markt übergesprungen, wo Massen solcher oft vom Aussterben bedrohter Tiere – Zibetkatzen, Affen, Fledermäuse, Schuppentiere – in engen Käfigen gehalten, verkauft und geschlachtet werden.

Der Ausbruch der Krankheit beruht also darauf – und hier sind sich Virologen und Ökologen weltweit einig –, dass wir Menschen in die Lebensräume der Tiere eindringen, sie zerstören, die Arten ausdünnen, in denen die Viren versteckt existieren, und dass durch die Klima- katastrophe Artengefüge wegbrechen. Wenn Viren einen neuen Wirt suchen, finden sie zunehmend uns – wie bereits bei SARS, bei Ebola, beim Hendra- und Marburg-Virus.

Das ökologisch richtige Verhalten wäre, all diesen Wesen, die durch den zerstörerischen Kontakt mit dem Menschen ausgerottet werden und dabei ihre Erregerlast freisetzen, den Raum wiederzugeben, der ihnen gebührt. Das ökologisch richtige Verhalten wäre, Gegen- seitigkeit zu ermöglichen, indem wir aufhören, Lebensräume zu zerstören. Das Richtige wäre somit, sich zurückzunehmen, still zu sein, an seinem Platz zu bleiben, um den anderen (also die anderen Wesen) zu schützen.

 

Das Berührende an der Corona-Pandemie ist, dass genau das gerade jetzt von uns gefordert ist – in Form von Kontaktbeschränkungen, verordnet seitens unserer Regierungen. Wir nehmen uns zurück, stoppen die Rastlosigkeit, werden still – und hören in dieser Stille die Frühlingslieder der Vögel. Wir nehmen uns zurück, um die anderen zu schützen. Das ist die Idee. Wir tun gezwungenermaßen das, was wir – auf ökologischer Ebene, planetarisch – ohnehin tun müssen, um die Gegenseitigkeit wiederherzustellen, ohne die wir uns zerstören. Das ist die Idee des Virus’. Und das bildet auch den Kern der ERDFEST-Initiative: der andere zuerst. Das Leben zuerst. Das Virus gibt uns genau das, was wir geben müssen.

Die Idee des Virus’ zu verstehen heißt akzeptieren, dass wir unsere unmittelbare Bedürfnis- befriedigung aussetzen müssen um der anderen willen. So stellt sich plötzlich heraus, dass
die Ausgehbeschränkungen, die viele als einen bitteren Verlust von Verbindung erfahren, in Wahrheit die Möglichkeit schenken, wirklich verbunden zu sein. Denn wirklich verbunden sein heißt nicht, jederzeitigen Kontakt zum erwünschten Objekt herstellen können, auch innerhalb von Stunden auf der anderen Seite des Globus. Wirkliche Verbindung heißt, den anderen so zu behandeln, dass er den Raum hat, in dem er gesund bleiben und sich entfalten kann. Wirkliche Verbindung heißt, dem anderen Leben zu ermöglichen.

Die epidemiologisch notwendige Reaktion auf die Pandemie zwingt uns also zu etwas, was wir ohnehin zu tun aufgefordert waren: zu horchen, sein zu lassen, still zu werden. Der Ökologe Stephan Harding meint, Corona sei »eine letzte Chance, das Lokale zu lieben und schätzen zu lernen, klein zu sein, uns zu verlangsamen und weniger zu konsumieren, demütig zu sein und wieder schön zu werden, als eine Art unter vielen im riesigen blühenden irdischen Körper.«

Genau das bildete von Anfang an den Kern der ERDFEST-Initiative.

Niemand von uns weiß, wie lange die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen nötig sein werden – weshalb ein Planen kaum möglich ist. Zum Glück sind die Erdfeste nicht darauf angewiesen, als Publikumsevent geplant zu werden, weil sie von innerer Haltung und In-Verbindung-Sein leben. Siehe die Einladung zum Mitwirken beim Erdfest 2020: »Das Erdfest begehen bedeutet NICHT, eine Veranstaltung organisieren zu müssen. Stattdessen können die Erdfest-Tage ein Anlass werden, bewusst inne zu halten. Aus dem Modus des Machens herauszugehen. Etwa gemeinsam einen Ort draußen aufzusuchen, der einen ruft. Dort still zu verweilen, um wahrzunehmen. Einen Baum, eine Wiese, einen Bach oder auch eine Industriebrache fragen: Was erfahre ich von dir? Und anschließend miteinander teilen, was dabei geschehen ist … Wie spannend das wäre! Ein Erdfest vom feinsten!« Unter den Gegebenheiten der Corona-Krise kann »ein Ort draußen« der Balkon, der eigene Garten sein, »gemeinsam« kann mit Menschen aus dem engsten Umkreis bedeuten.

Kein solches Erdfest ist zu klein. Und jedes ist das schönste – weil es seine Stimmigkeit jeweils ganz aus sich schöpft, während sämtliche Erdfeste in geteilter Haltung miteinander verbunden sind. Und indem all diese kreativen, subtilen Aktivitäten auf der ERDFEST- Webplattform – den Seiten Initiativträger*innen und Die Orte – geteilt werden, entsteht eine Sichtbarkeit, die dann auch politisch wirksam werden dann. Anhängend kommt nochmal die Vorlage zum Eintragen von Erdfesten auf erdfest.org.

Darüber hinaus wird es am 21. Juni, dem letzten der drei Erdfest-Tage, erstmals das Angebot einer Online-ERDFEST-Zusammenkunft geben, um unsere Erfahrungen miteinander aus- zutauschen – vom Nachmittag an, vielleicht bis Mitternacht. Hierzu demnächst mehr.

»Dem Lebendigen Lebendigkeit zurückschenken, bewusst sein – so eine Antwort geben auf den Zustand der Welt«: Das ERDFEST-Motto ist aktueller denn je.

Zu guter Letzt möchten wir an die »Erdfeste des Tages« erinnern, mit denen Andreas Weber in unserem ersten ERDFEST-Jahr 2018 auf Facebook versucht hat, regelmäßig festzuhalten, dass das Irdische, wenn es fruchtbar ist, wenn es Gegenseitigkeit herstellen darf, immer
und jederzeit ein Fest ist und dazu einlädt, Teil dieser Festlichkeit zu sein. Vielleicht kann dies dazu inspirieren, nun selbst kleine »Erdfeste des Tages« in Ihren/Euren Alltag in der Kontaktbeschränkung einfließen zu lassen: mit einfachen Gesten der Lebendigkeit die Bot- schaft der aktuellen Krise aufzunehmen und den anderen, die anderen Wesen zu sehen, zu begrüßen, ihnen Vortritt zu lassen, sie wirklich wahrzunehmen und zu spüren.

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»Der Himmel kommentiert mit Himmel.« Erdfest des Tages: Scylla.

»Ein Blau, das nicht Farbe ist, sondern Energie.«

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Erdfest des Tages: Krokus.

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»Blüte: Ei der Welt.«

Vielleicht haben einige von Ihnen/Euch Lust, ein – wie auch immer geartetes – »Erdfest des Tages« auf unserer ERDFEST-Facebookseite zu teilen? Das wäre klasse.

Mit herzlichem, erdverbundenem Gruß Hildegard Kurt und Andreas Weber

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