Im Keltischen Jahreskreis beginnt das neue Jahr an Samhain, am ersten November. Es beginnt in der Dunkelheit, so, wie (fast) jedes Leben auf der Erde in der Dunkelheit seinen Anfang nimmt. Im dunklen Schoss der Mutter, in der geborgenen Dunkelheit der Erde.

Da liegt etwas in dunkler Erde, im Schoss der großen Mutter.
Es ist ein Samen, der erste zarte Wurzeln treibt, gequollen in der Feuchtigkeit des Herbstes.
Er träumt vom Frühling, von Wärme und von Licht,
er wartet geduldig auf die richtigen Bedingungen
um seinen zarten, starken Keim empor zu strecken, zu wachsen
und sein volles Potential zu entfalten.

Vom Feuer der Wandelzeit

Wandelzeit – das kann ich gut. Das ist etwas, das ich gut kenne.
Ich bin in meinem Leben durch tiefe Verwandlungen gegangen – schmerzhafte, furchteinflössende Prozesse. Aber jeder dieser Prozesse hat mich am Ende MIR SELBST näher gebracht. Mit jeder Erschütterung, jedem Erdbeben ist Ballast weggebrochen und mein Leben ist wahrhaftiger und WESENtlicher geworden. Mit dieser Erkenntnis lässt die Furcht nach und wächst das Vertrauen. Ja, aus Furcht vor wird Bereitschaft zu und Lust auf Umbruch, Verwandlung und Erneuerung!

Mein Beinbruch vor knapp einem Jahr hat wieder einen Um- und Aufbruch eingeläutet. Jeden Morgen sitze ich am kleinen Wandel-Feuer einer Kerze, an manchen Tagen entzünde ich ein größeres Feuer im Steinkreis oder auf dem Drachenberg. Ein Feuer der Wandelzeit.

Oft haben sich mir Freundinnen und Freunde, Weggefährtinnen und -gefährten anvertraut in ihren Wandelzeiten. Ich erlebe es immer als kostbaren Zeit-Raum, wenn die harte Schale aus Schutz, Sicherheit, Routine und Gewohnheit bröckelt und zerbricht und der zarte, lichte Kern spürbar wird. Wandelzeit begleiten kann ich gut. Ich liebe es!

Es wird oft gesagt, dass wir als Menschheit gerade jetzt eine große Zeit des Wandels erleben. Ich weiß nicht ob das stimmt, ob wir das nicht IMMER getan haben…wenn ich in der Geschichte zurück blicke und versuche, mich in all die Umbrüche und Veränderungen der Vergangenheit einzufühlen, dann erscheinen sie mir fast immer gewaltig und riesengroß.

Die besondere Herausforderung unserer Zeit liegt wohl darin, dass es um unser grundsätzliches Überleben als Menschheit geht und alle anderen Lebewesen auf diesem Planeten von unserem Tun und Handeln betroffen sind. Wir sind so viele wie nie zuvor, es wird so eng und drängend wie nie zuvor, keine und keiner kann sich den Konsequenzen entziehen.

Ver-Wandlungen – im Großen wie im Kleinen – werden meist aus Krisen geboren. Wenn das Alte nicht mehr trägt, wenn der gewohnte Weg nicht mehr zum Ziel führt, wenn das alte Ziel nicht mehr erstrebenswert ist, wenn unsere alltäglichen Strategien nicht mehr funktionieren, erleben wir das als Krise. Eine Krise ist kostbar, denn sie ruft immer den ganzen Menschen auf den Plan, dann ist all unsere Kraft und Präsenz gefordert.

Ich erlebe in meinem Freundes- und Bekanntenkreis ein starkes und immer stärker werdendes Ringen um Wahrhaftigkeit, Sinnhaftigkeit, eine drängende Suche und Sehnsucht nach Rückverbindung in den großen Kreis des Lebens. Das Feuer der Wandelzeit brennt und lodert, es lockt und ruft, es wärmt und nährt, schenkt Kraft und fordert heraus.

Wer willst Du in 200 Jahren gewesen sein?
Wie will das Leben Dich öffnen und weiten, welches Geschenk bringst ihm dar?
Was braucht es, damit Du – wenn es an der Zeit ist – dankbar, zufrieden und erfüllt loslassen kannst?

Ich habe den Impuls, gemeinschaftlich an diesem Feuer der Wandelzeit zu sitzen.
Einen Kreis zu initiieren, in dem wir uns gegenseitig begleiten, einander Zeugen sind, uns unsere Wandel-Geschichten erzählen, uns darin unterstützen wahrhaftig zu sein und zutiefst lebendig zu werden.

Ich will tanzen mit denen, die sich der Verwandlung öffnen, die der Spur des Lebendigen folgen.
Ich will mit denen sein, die das Feuer der Liebe in ihrem Inneren hüten und eine Kultur der Dankbarkeit pflegen.
Ich will fürsorgliche Sterbebegleitung für die Raupe sein und liebevolle Geburtshelferin für den Schmetterling.

Ich weiß noch nicht genau, wie ich diese Einladung konkret formulieren werde, welche Form der gemeinsame Kreis am Wandelfeuer haben wird. Aber der Samen hat erste zarte Wurzeln getrieben, er ist gequollen in der Feuchtigkeit des Herbstes, und wartet auf die richtigen Bedingungen um zu wachsen und sein Potential zu entfalten.

Und es kam der Tag,
da das Risiko, in der Knospe zu verharren,
schmerzlicher wurde, als das Risiko zu erblühen.
(ANAIS NIN)