Am Morgen meines Geburtstags im März 2023 habe ich mir das Sprunggelenk gebrochen. Ich war gerade dabei, unsere Tiere mit Frühstück zu versorgen – ein Frühlingshauch lag in der Luft, die Vögel zwitscherten und mein Blick war zum Himmel gerichtet. Da rutschte ich auf einer verschlammten Granitbodenplatte aus, knickte um und es knackte so laut und eindeutig, dass sofort klar war: da ist was kaputt.
Eine halbe Stunde später waren wir im Krankenhaus in Wörth und zwei Stunden später war ich im OP.

Sechs Wochen absolute Ruhe. Danach: langsame Aufbauphase, mindestens ein halbes Jahr stark eingeschränkt in meiner Beweglichkeit, ein Jahr bis alles ganz verheilt ist. Jeder und jede der/die einen Garten bewirtschaftet weiß: völlig falscher Zeitpunkt! Oder aber: genau der richtige Zeitpunkt. Denn es war ein not-wendiger full stopp.

Es ist schwer zu erklären, denn wir leben hier unseren Traum. Alles was wir tun ist selbst gewählt und selbst bestimmt.
Und doch gibt es in unserem Leben die gleiche Falle wie in jedem anderen: Es gibt den inneren Antreiber, für den es nie genug ist. Der beim Blick in den Garten nicht all die Schönheit sieht sondern all die unerledigten Arbeiten. Der sich nicht an den jungen Hecken und Bäumen erfreut sondern die Lücken sieht, die noch bepflanzt werden sollten. Schon längst! Der einen Ruhetag erst gestattet, wenn ALLES erledigt ist – also nie. Der die Messlatte sofort höher legt, sobald das Ziel erreicht ist. Kennst Du das auch? Das Leben mit einem so gestrengen Herren?

Ich erinnere mich, dass ich beim Einatmen der lauen Frühlingsluft dachte: „oh wie wunderbar, es wird Frühling!“ Und im nächsten Moment: „oh je, hoffentlich schaff’ ich alles, was dann ansteht..“.

Im vergangenen Jahr (also 2022) fühlte ich mich oft gefangen in einem Hamsterrad aus mehr und immer mehr. Ich sah das bei vollem Bewusstsein und fand doch den Ausweg nicht. Nun – mein Körper war schon immer schlauer als ich. Er hat den Ausweg für mich gefunden, ganz leicht, und er hat mir ein „Sabatical“ zum Geburtstag geschenkt…

Was daraus folgte war eine intensive Mischung aus Freude, Dankbarkeit und tief empfundenem Glück und zugleich unerträgliche Hilflosigkeit, Verzweiflung, körperlicher Schmerz und das Gefühl abgrundtiefer Wertlosigkeit. Wer bin ich, wenn ich NICHTS schaffe? Was bin ich wert, wenn ich nicht arbeite? Wie kann ich es aushalten, auf die Hilfe und Fürsorge anderer angewiesen zu sein?

Die Aussicht, in diesem Jahr nicht zu säen, nicht zu ernten und Stefan mit all der Hege und Pflege allein zu lassen – mehr noch: ihm zuzumuten, dass er auch mich hegen und pflegen muss! – das war eine echte Herausforderung. Stefan war anfangs absolut überfordert damit, den Überblick zu behalten und alle meine täglichen Arbeiten in seine Arbeitsroutine zu integrieren. Zudem musste er mich zu Physio-Terminen chauffieren und zum Arzt begleiten. Es war für uns beide eine ziemliche „Challenge“. Einmal mehr wurde uns bewußt, wie sehr unser Leben und Arbeiten uns miteinander verwebt und verbindet. Wir erkannten, dass mein Beinbruch irgendwie auch sein Beinbruch ist – das WIR uns eines unserer vier gemeinsamen Beine gebrochen haben.

Und so haben wir alles auf den Prüfstein gelegt, haben jeden Baustein unseres täglichen Schaffens in Frage gestellt und überlegt, was wir brauchen, was wir vermissen würden, was wir loslassen können.

Ein Geschenk in dieser Zeit waren unsere Kinder und liebe Freunde, die uns tatkräftig unterstützt haben. Sie sind einfach gekommen, haben geputzt, gewaschen, gekocht und gebacken, haben Erdbeerbeete gejätet, geplaudert, erzählt und gelacht. Das war starke Medizin!

Wir haben einen Teil unserer Tiere verschenkt (bzw. gegen Spende an back-to-life abgegeben) – Hühner, Gänse, drei junge Ziegen. Sie sind alle in liebevolle Hände gekommen, haben eine gute neue Heimat gefunden. Wir haben die Hälfte des Gemüsegartens mit Gründüngung eingesät und ruhen lassen. Die restlichen Beete hat Stefan dick eingemulcht und ich habe Kohl, Kürbis, Zucchinis, Bohnen und Mais nicht wie sonst aufwendig vorgezogen, sondern Anfang Juni einfach die Samen in die Beete gesteckt. Und erstaunt festgestellt, dass auf diese Weise blitzschnell besonders kräftige Pflanzen  wachsen, die NICHT von Wühlmäusen vernichtet werden! (Vermutlich weil sie ihre Wurzeln von Anfang an weit verzweigt anlegen und Mäusefraß nicht die ganze Pflanze killt).

gemulchtes Beet im Gemüsegarten

Durch mein Ausgebremst-sein ist Stefan letztlich noch mehr in seine Kraft gekommen. Für ihn ist es tatsächlich gut, MEHR zu arbeiten, er mag es, sich zu verausgaben und von Zeit zu Zeit seine Grenzen auszuloten – während es mir gut tut, WENIGER zu machen, inne zu halten und still zu werden.
Der Garten hat mir gezeigt, dass es möglich ist, NICHT zu säen und trotzdem üppig zu ernten! Ich habe all die wilden Kräuter genutzt, die sowieso immer und überall von alleine wachsen und den Kulturpflanzen in Vitalität, Inhaltsstoffen und Aroma weit überlegen sind. Und all die mehrjährigen Pflanzen in unserem Garten (alle Beerensträucher, Rhabarber, Salatrauke, guter Heinrich, Obst- und Nussbäume) haben so reich getragen, dass es locker bis zur nächsten Ernte reicht.

Tomatenvielfalt auch im Sabatical

Mein Bein ist gut verheilt, aber mein Körper hat noch ein paar mal „nachgelegt“, damit ich meine Lektion auch wirklich lerne und nicht zurück falle in alte Muster: Im Sommer hatte ich eine Borreliose, die Dank homöopathischer Nosode gut abgeklungen ist und seit Juli quält mich eine „frozen shoulder“. Ich bin gut aufgehoben in den Händen von Ute Pankratius, einer ausgezeichneten Physiotherapeutin aus Regensburg, und habe von Nina Hehn wohltuende TUINA-Behandlungen bekommen, die für „Tauwetter“ sorgen. Langsam, ganz langsam wird mein „linker Flügel“ wieder beweglicher.

Heute Morgen lag ein erster Hauch von Frühling in der Luft…..und es ist eine Freude zu spüren, dass ich wieder so sehr LUST auf Garten und Arbeit habe! Ich kann wieder spüren, dass es ein Geschenk ist, all die Dinge tun zu können, die unser Leben hier am Hof bestimmen!

schon jetzt in Vorfreude auf die kommende Heuernte